Irrwege der Unterrichtsreform
Die ernüchternde Bilanz eines utilitaristischen Imports: Entpersonalisierung und Banalisierung der Bildung
Der Begriff „Unterrichtsreform“ legt die Vorstellung nahe, es gehe um Bemühungen für eine Optimierung des Lehrens und Lernens. Dass unter dem Banner der „Reform“ allerdings auch verhängnisvolle „Irrwege“ beschritten werden können, wurde auf einer Tagung der deutsch-österreichisch-schweizerischen „Gesellschaft für Bildung und Wissen“ am 24. März 2012 an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main offensichtlich.
Biologie ohne fachwissenschaftliche Inhalte
Das Schulfach rückt im hessischen Kerncurriculum weit ab von universitären Standards
Bei der ersten Pisa-Studie im Jahre 2000 wurde mit Hilfe von Kompetenzorientierten Aufgabenstellungen die Mittelmäßigkeit des deutschen Bildungssystems in Form einer Bundesligatabelle im Ländervergleich belegt. Über das schlechte Abschneiden war man in Deutschland so entsetzt, dass die Kultusministerkonferenz (KMK) mit einer Vielzahl von organisatorischen und strukturellen Maßnahmen reagiert hat, die zum Aufbau des „Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungssystem“ (IQB) mit Sitz in Berlin und Ablegern in den einzelnen Bundesländern in den letzten Jahren führte.
Nivellierung der Ansprüche
Neuntklässler bewältigen ohne Probleme eine Zentralabiturarbeit. Was bleibt da von der propagierten Kompetenzorientierung der neuen Bildungsstandards?
Der Pisa-Befund über die Effektivität der deutschen Schule wurde zum „Schock“ erklärt, der mit einer radikalen Umsteuerung der Bildungspolitik beantwortet wurde. Seither propagieren Pisa-Konsortium und Bildungspolitik eine Wende von der Inhaltsorientierung der bisherigen Lehrpläne (Input) hin zu einer Kompetenzorientierung (Output).
Liegt halb richtig, bei wem 2 + 2 = 5 ergibt
Die neue Fokussierung auf Soft Skills macht Schüler erfolgreich – und dumm, sagt der Didaktiker Hans Peter Klein. Er wirft im FR-Interview einen kritischen Blick auf das Bildungssystem.
Herr Klein, Sie wollen heute mit anderen Bildungsexperten die „Gesellschaft für Bildung und Wissen“ gründen. Ihre Initiative richtet sich gegen einen „entfesselten Aktionismus“ im Bildungswesen. Wogegen laufen Sie konkret Sturm?
Die Kompetenzorientierung springt als Tiger und landet als Bettvorleger
Bildungsstandards, Kerncurricula, Inputorientierung oder Outputorientierung, seit PISA wird über die vorzunehmenden Änderungen im deutschen Bildungssystem heftig debattiert. Stefan Krach sprach mit Prof. Dr. rer. nat. Hans-Peter Klein, Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Biowissenschaften an der Frankfurter Goethe-Universität der Gesellschaft
Auf dem Weg zum Homo oeconomicus
Kritische Stimmen zu den Reformen nach PISA auf einer internationalen Tagung an der Universität zu Köln im Sommer 2010 mit über 400 Teilnehmern
Wie uns spätestens der 11. September 2001 hinlänglich gelehrt hat, liefern schockartig wirkende Ereignisse oft- mals die Legitimation für strategische Maßnahmen, die zuvor in der breiten Öffentlichkeit niemals Akzeptanz gefunden hätten. Folgt man den Ausführungen auf der Tagung „Bildungsstandards auf dem Prüfstand – Der Bluff der Kompetenzorientierung“, so hat auch der berühmte „PISA-Schock“ in Deutschland einem äußerst fragwürdigen Paradigmenwechsel in der Orientierung der Bildung den Weg geebnet, der – so das evidente Ergebnis der Tagung – zu einem Fiasko in der Entwicklung des Bildungswesens führt und weiter führen wird.
Bildungsstandards, Kompetenzen, Kerncurricula: das Ei des Kolumbus
Seit TIMMS, IGLU und vor allem PISA ist die deutsche Bildungslandschaft und die Politik in helle Aufregung versetzt worden.
Das deutsche Bildungssystem steht am Pranger; denn die PISA-Konstrukteure hatten ja angeblich nachgewiesen, wie schlecht, unfähig und unsozial das derzeitige dreigliederige Schulsystem zu beurteilen ist.